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Warum Schweden?

Schwedenflagge

Wenn man in ein Land ausreisen will, sollte man sich darüber im Klaren sein, was einen erwartet. Zumindest bei allem Erwartbarem. Wenn Du ein Haus kaufst, weißt Du noch lange nicht, wie Deine Nachbarn drauf sind, aber sicherlich ist es gut zu wissen, wie die Schweden im Allgemeinen ticken. Was sind Deine Prioritäten für den Exodus und kann das Land und die Region das erfüllen, was Du Dir vorstellst? Sind Land und Leute wirklich so, wie Du Dir es erträumst oder machst Du Dir was vor und Deine Rückreise ist quasi vorprogrammiert.

 

Schweden ist ein wunderschönes Land, es ist aber heute alles andere als ein Takkatukkaland. Auch Schweden hat seine Schattenseiten - offensichtliche und sicherlich auch Deine persönliche. Am Ende musst Du für Dich entscheiden ob Deine Prioritäten erfüllt werden und gegenüber den Nachteilen überwiegen.

 

Um hier Diskussionen zu vermeiden - natürlich beschreiben wir hier stereotypisch und klischeehaft. Zum Glück sind Menschen unterschiedlich im Verhalten, aber auch Deine Wahrnehmung kann eine andere sein. An dieser Stelle werden über 40 Jahre persönliche- und Netzwerkerfahrung aus dem Land wiedergegeben. Natürlich gibt es wie in jedem Land auch regionale Unterschiede. Es macht wenig Sinn, jede Formulierung zu relativieren. Am Ende zählt Deine eigene Wahrnehmung.

 

Los geht's und auch gleich ordentlich politisch unkorrekt:

Der Schwede im Allgemeinen ist freundlich, hilfsbereit, introvertiert, entspannt, oberflächlich, desinteressiert, liberal, unzuverlässig, produktiv, ideenreich, nationalistisch, obrigkeitshörig ...

Extra plakativ und überspitzt gesagt.

Brauchst Du in Schweden Hilfe, muss Du nicht lange warten, egal ob Du mit Deinem Boot einen Schaden hast und 20 km geschleppt werden musst oder im Schnee mitten in der Wildnis stecken geblieben bist und mit schwerem Gerät befreit werden musst.

Brauchst Du Hilfe und Du kannst darauf aufmerksam machen, bist Du in diesem Land nicht alleine.

Sprichst Du Menschen an, wird Dir immer freundlich geantwortet. Erwarte aber eher nicht, dass Dich jemand anspricht. Einerseits hast Du Narrenfreiheit und alle lassen Dich machen was Du willst, aber genauso gering ist auch das Interesse an Dir. Ohne jegliche negative Bewertung.

Auch in Hamburg liegen immer wieder Verstorbene wochenlang unbemerkt in ihrer Wohnung, hier gibt es das aber auch in ländlichen Regionen. Wem das egal ist, weil man dann eh tot ist und sonst gut mich sich selber klar kommt und die persönliche Freiheit genießt, ist hier genau richtig.

 

Genauso ist es mit der Entspanntheit. In Schweden ticken die Uhren auch heute noch anders. Kaum Stress auf der Straße und selbst in der kurzen Mittagspause meckert im Supermarkt keiner, wenn die Oma im Portemonnaie nach der Krone kramt, während in Deutschland schon lange der Ruf nach der nächsten zu öffnenden Kasse laut wäre. Entschleunigung ist für viele Menschen ein wichtiger Grund nach Schweden zu kommen. Da kann man auch damit leben, dass der Handwerker zwei Tage später kommt als angekündigt. Am Ende kommt er.

Meistens. 

Nerviger ist dann schon, das der Schwede gerne nicht hält, was er verspricht. Leider eine sehr häufige Erfahrung. 

 

Wer nach Schweden kommt und Geselligkeit sucht, findet sie überall aber eher nicht bei Schweden. Manch einer lebt hier über 30 Jahre, hat aber nur Freunde aus dem Rest der Welt.

Wer bei seinem ersten Sylvester die Nachbarn um 12 Uhr auf der Straße zum Anstoßen erwartet, wartet vergeblich. Nachbarn einzuladen ist sowieso eher ungewöhnlich. Auch unter Schweden selten. Die Familien bleiben meistens und gerne unter sich. Bis sie sich irgendwann so auf den Keks gehen, dass dann die obligatorische Trennung ansteht. Die Scheidungs- und Trennungsquote ist in Schweden sehr hoch (Ehen und Sambo).

 

Schweden bleiben aber auch beruflich und gewerblich - von Konzernen und in Großstädten mal abgesehen - gerne unter sich. Als Resteuropäer in den jeweiligen Strukturen anzukommen ist besonders als Selbstständiger schwer. Lieber wird zum Beispiel ein schlechter schwedischer Handwerker beauftragt, als ein guter europäischer. So stammt die Kundschaft ausländischer Handwerker meist zum großen Teil aus Landsleuten oder Resteuropäern. Dabei hilft Deutschen und Österreichischen Handwerkern auch wenig, dass sie den Ruf von Perfektionisten und Besserwissern genießen. Beides mögen die Schweden nicht.

Zu den Resteuropäern gehören übrigens auch Norweger, Dänen und Finnen. Den skandinavischen Zusammenhalt gibt es eigentlich nur auf dem Papier und in der Politik. 

 

Betont sei hier noch mal, dass es hier auch sehr große regionale Unterschiede gibt. 

Der Värmländer gilt zum Beispiel offenherziger als der angrenzende Dalsländer.

Über die Småländer sagen die anderen Schweden, sie würden Kinder essen. Bis auf den etwas schwer zu verstehenden Dialekt ist das aber eigentlich ein ganz nettes Völkchen. 

 

Die Menschen jetzt mal aussen vor gelassen, gibt es natürlich viele andere Dinge, die Dein Leben in Schweden beeinflussen. Extrem gewöhnungsbedürftig und ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre ist der Grad der Digitalisierung und der staatlichen Kontrolle. All das wofür sehr viele südlichere Europäer auf die Straße gehen und zu verhindern versuchen, ist in Schweden schon lange umgesetzt.

Der Bürger ist absolut gläsern und letztendlich der staatlichen Kontrolle völlig ausgesetzt.

Dazu zählt auch die Bestrebung das Bargeld immer mehr zurückzudrängen.

Böse Zungen sagen, kommen hier mal die falschen Kräfte an die macht, reichen die Instrumente zur totalen Überwachung und Unterdrückung aus. Zu Recht sehen kritische Bürger anderer europäischer Staaten solche Prozesse kritisch. 

 

Aber warum war das in Schweden installierbar?

Schweden hat eine der niedrigsten Korruptionsindizes Europas. Die Bürger haben traditionell ein großes Vertrauen in ihre Regierung und die meisten Prozesse wurden schon vor 20 Jahren oder sehr viel länger eingerichtet. Heute wären manche vielleicht nicht mehr so leicht umsetzbar, wobei der Schwede schon beeindruckend unkritisch mit staatlichen Anordnungen umgeht.

Aber sicherlich sind viele Prozesse in der Abwicklung so auch einfach unglaublich praktisch und herrlich unkompliziert. Ausserdem war die Durchsetzbarkeit gewiss auch durch die Größe des Landes begünstigt.

Wenn Du irgendwo in Lappland wohnst, ist es einfach unglaublich praktisch, wenn Du zum Anmelden Deines Autos nicht zig hunderte Kilometer zum nächsten Verkehrsamt fahren musst. Das geht alles zentral und schon lange online. So einfach, dass Du sogar per App Dein Fahrzeug mit einem Klick stilllegen kannst, weil Du z.B. gerade für längere Zeit verreist bist.

Und natürlich ist eine digitale Krankenakte von Vorteil, wenn Du fern deines Heimatortes ins Krankenhaus kommst, und jeder behandelnde Arzt sofort Deinen Gesundheitsstatus abrufen kann. Vom letzten Blutbild bis zu Vorerkrankungen. 

Aber genauso kann auch zum Beispiel jeder Verkäufer Deine Einkommenssituation einsehen und ob Du in Deiner Historie mal eine Zahlung versäumt hast.

Am Ende musst Du für Dich entscheiden, ob Du mit diesem extremen Eingriff in Deine Privatsphäre leben kannst. 

Schlussendlich ist das Land aber groß und weit und die Möglichkeiten sich zumindest einem Teil der Kontrolle zu entziehen ebenso.

 

Damit sind wir da angekommen, was für viele das bedeutendste und entscheidendste Motiv für die Einwanderung sein dürfte. Die schwedische Natur. Die Weite. Die Ruhe. 

 

Schweden ist flächenmäßig 1,3 mal so groß wie Deutschland bei nur 1/8 der Bevölkerung. Aktuell ca. 10,4 Millionen Einwohner. Dabei ist die Urbanisierungsquote von Schweden 10 % höher als in Deutschland. 77 % der Schweden leben in Städten. 

Das bedeutet, dass es ausserhalb der Städte viel Land mit wenigen Menschen gibt. 

Fast 70 % der gesamten Landfläche ist Wald und fast 10 % sind Wasserflächen. 3.200 km Küstenlinie, 222.000 Inseln und 96.000 Seen findest Du in Schweden, fast doppelt so viele wie in Finnland.

Auf einer Länge von 1.600 km ist das Klima von gemäßigt im Süden bis polar im Norden. 

 

Ohne Frage sind alleine die Zahlen ein Traum für jeden Naturliebhaber und Outdoorfreak. Genauso vielseitig ist die Vegetation und die Geologie. 

Das Traumland für Camper, Wanderer, Paddler, Angler, Jäger, Skifahrer, Hundeschlittenfahrer, Reiter, Mountainbiker, Motorradfahrer - einfach für alle, die sich gerne draußen in der Natur den Elementen aussetzen.

Erleichtert wird der Traum durch das Allemansrätt - das Jedermannsrecht - das Dir den Zugang zu der Natur erleichtert und Dir an vielen Orten den Aufenthalt erlaubt.

Dazu findest Du hier bald einen eigenen Blog-Artikel.

Leider ist in vielen Teilen der Wald nur noch Plantage, denn die Schweden betreiben eine sehr intensive und monokulturelle Waldwirtschaft. Auch dazu folgt ein eigener Blog-Artikel.

Besonders aber um die Seen gibt es wunderschöne Naturlandschaften und oft nahezu unberührte Natur. Ausserdem findest Du in Schweden unzählige Natur- und Nationalparks. Der Sarek mit seinem weltberühmten Wanderweg Kungsleden, ist flächenmäßig der größte Nationalpark Europas.

 

Worüber man sich noch wirklich bewußt sein sollte wie man damit klar kommt, ist das schwedische Klima bzw. die Jahreszeiten.

Ist Dein Ziel der Süden, sind Klima und Jahreszeiten nicht wesentlich anders als in Norddeutschland. Aber schon ab Höhe Göteborg-Stockholm ändert sich das. Die Jahreszeiten sind schon deutlich ausgeprägter und natürlich wird es mit jedem Kilometer Richtung Norden im Sommer wie im Winter kälter. Oder anders gesagt, der Sommer kürzer und der Winter länger. Was nicht heißt, dass das Wetter schlechter ist. Da ist es generell eher so, dass das Wetter im Westen rauer und im Osten milder und sonniger ist..

 

Am gewöhnungsbedürftigsten für "Südländer" ist aber sicherlich die krass unterschiedliche Tageslänge in den Jahreszeiten. Während die langen Tage im Sommer für die meisten Menschen ersehnte Zeiten in der Natur sind, können einem die kurzen Tage im Winter schon mal aufs Gemüt schlagen.

Höhe Stockholm ist es zu Weihnachten bereits um 15 Uhr stockdunkel. Weiter im Norden entsprechend früher.

 

tbc